Sie begegnen uns mittlerweile an vielen Stellen im Leben – Self-Services. Das Konzept ist eigentlich überhaupt nichts Neues. Trotzdem ist es in den vergangenen Jahren zu einem richtigen Buzz-Word geworden und erfreut sich in immer mehr Wirtschaftsbereichen wachsender Beliebtheit. Auch in der Versicherungsbranche ist das nicht anders, aber dazu später mehr.

Werfen wir zunächst einmal einen Blick in die Historie des Prinzips Self-Service. Angefangen hat alles mit der Selbstbedienung beim Einkaufen und da waren wieder einmal die Amerikaner die Pioniere. Während in Deutschland zu Beginn des 20. Jahrhunderts Lebensmittel im Tante Emma Laden an der Ecke eingekauft wurden, eröffnete der Amerikaner Clarence Saunders 1916 in Memphis, Tennessee, seinen ersten Lebensmittelladen, genannt Piggly Wiggly, in dem die Kunden die Waren selber aus den Regalen nehmen konnten, anstatt an der Theke anstehen zu müssen. Das Piggly Wiggly-Konzept ist heute in jedem Supermarkt der Standard. Der Tante Emma-Laden hingegen ist mittlerweile fast komplett aus unserem Leben verschwunden. Nur vereinzelt gibt es noch den kleinen Kiosk an der Ecke, der wohl nur dann wirklich hilfreich ist, wenn man mal schnell eine Kleinigkeit braucht und sich dafür der Weg zum Supermarkt des Vertrauens nicht lohnen würde.

Die Vorteile dieser Veränderung sind eindeutig. Die Supermärkte kommen mit weitaus weniger Personal aus, können aber in kürzerer Zeit deutlich mehr Kunden bedienen. Außerdem lassen sich die Öffnungszeiten verlängern, was den Kunden eine größere Flexibilität einräumt. Und nicht zuletzt haben moderne Supermärkte ein deutlich effizienteres Raumkonzept und können so ein Vielfaches der Produktpalette anbieten, wie es der kleine Kiosk kann.

Die Supermärkte waren die Vorreiter der Self-Services, aber mittlerweile sind diese in viele weitere Lebensbereiche vorgedrungen und oftmals zum gewohnten Standard geworden. Einige Beispiele, die wahrscheinlich jeder regelmäßig nutzt:

 

Online Banking

Die Bankenbranche wurde die Digitalisierung dramatisch verändert. Wir haben das bereits in einem anderen Artikel einmal kurz thematisiert. Die Mehrzahl der klassischen Bankfilialen wurden geschlossen und die Aufgaben in das Online Banking verlagert. Der klassische Bankberater tritt nur noch bei sehr beratungsintensiven Produkten auf. Das Tagesgeschäft kann und wird heute vorrangig über das Internet abgewickelt. Und dieser Trend wurde bereits in die Wege geleitet, lange bevor das Internet gesellschaftstauglich wurde. Durch die Einführung des ersten Geldautomaten hat die britische Barclays Bank in London 1967 erstmals den Prozess des Geldabhebens ohne menschliches Zutun von Seiten der Bank gestaltet. Die Idee zum Geldautomaten soll dessen Erfinder John Shepherd-Barron übrigens in der Badewanne gekommen sein, nachdem er es verpasst hatte, an einem Samstag während der Öffnungszeiten zur Bank zu gehen und so bis zum nächsten Montag warten musste, bis er an sein Geld kam. Dabei hat er sich nach eigener Aussage von einem Süßigkeitenautomat inspirieren lassen.

Online Buchung und Check-in für Flüge

Die Luftfahrt hat das Prinzip des Self-Service in den vergangenen Jahren sehr breitflächig und konsequent umgesetzt. Die Kontaktpunkte mit Servicemitarbeitern wurden auf ein Mindestmaß reduziert und finden eigentlich nur noch dort statt, wo Empathie gefragt ist: Zum Beispiel während des Fluges an Bord der Flugzeuge. Ansonsten kann der Fluggast mittlerweile alle Aufgaben rund um den Flug selber erledigen – von der Buchung, über die Sitzauswahl, den Check-in, bis hin zur Gepäckaufgabe. An keinem dieser Punkte muss die Fluglinie Personal einsetzen, alles wird entweder per Internet, App oder Self-Service-Terminal erledigt. Und das auch deutlich flexibler und schneller als früher. Einchecken bequem von zuhause oder im Taxi auf dem Weg zum Flughafen, keine Wartezeiten am Schalter mehr und selbst beim Einsteigen kann man mittlerweile an vielen Flughäfen seinen Boarding Pass selber scannen.

 

Passkontrolle am Flughafen

Bleiben wir am Flughafen. Wer häufig interkontinental fliegt, kann sich garantiert noch an die langen Schlangen bei der Passkontrolle erinnern, wenn man nach Europa zurückkehrt. Auch das haben moderne Flughäfen mittlerweile weitgehend verändert.

Moderne Technologien wie die Gesichtserkennung machen selbst die Passkontrolle zum Self-Service, ohne dabei Kompromisse bei der Qualität dieses sicherheitsrelevanten Services eingehen zu müssen. Auch hier werden wieder Personalkapazitäten bei einer standardisierbaren Tätigkeit eingespart.

 

Vorteile von Self-Services

Die Vorteile, die sich aus Self-Service-Angeboten ergeben, sind vielseitig:

  • Kosteneinsparung: Teures Personal wird nur noch dort eingesetzt, wo komplexe, kaum standardisierbare Prozesse stattfinden oder Empathie vom Kunden erwartet wird.
  • Verfügbarkeit rund um die Uhr: Der Service kann zu jeder Tages- und Nachtzeit genutzt werden und wird nicht durch Öffnungszeiten oder Dienstpläne von Menschen eingeschränkt
  • Räumliche Unabhängigkeit und Mobilität: Mit Self-Services kann der Kunde selber auswählen, an welchem Ort er von einem Service Gebrauch machen möchte. Er ist nicht mehr auf Filialen oder Büros angewiesen.
  • Gestärktes Selbstwertgefühl durch mehr Kontrolle: Durch die Selbstausführung einer Aktion fühlt sich der Nutzer in seiner aktiven, kontrollierenden Rolle gestärkt und ist nicht mehr nur der Empfänger einer Dienstleistung.
  • Anonymisierung der Dienstleistung: Der Nutzer kann Dienstleistungen ungestört und unerkannt wahrnehmen. Das steigert die positive Wahrnehmung des Services noch weiter.
  • Schnelligkeit: Self-Services laufen als Prozesse schneller ab, da sie einen höheren Automatisierungs- und Standardisierungsgrad aufweisen, als ihre durch menschliche Dienstleister vollbrachten Vorgänger-Services.

Viele weitere Einsatzbereiche für Self-Services liegen in der Unterstützung des Kunden bei der Durchführung von komplexeren Vorgängen. So ist es üblich geworden, dass viele Anbieter auf ihren Webseiten einen sogenannten FAQ-Bereich (Frequently Asked Questions, deutsch: häufig gestellte Fragen) anbieten. Auf diesem Weg kann sich der Nutzer Hilfe holen, ohne auf eine Hotline oder ähnliches angewiesen zu sein. Der Vorteil für Anbieter und Benutzer liegt wiederum in der Schnelligkeit, Kostenersparnis und Unabhängigkeit. Durch den gezielten Einsatz von KI-Modellen kann diese Unterstützung sogar in höchstem Maß dynamisch auf das Anliegen des Kunden zugeschnitten werden. Auch für das Erlernen von neuen Prozessen oder Produkten bedarf es heute keiner menschlichen Lehrer oder Instruktoren mehr. Stattdessen helfen Erklär- oder Lernvideos, die ebenfalls rund um die Uhr verfügbar sind, und kaum Ressourcen binden.

 

Self-Services im Versicherungsfall

Natürlich ist diese Entwicklung auch an uns bei sachcontrol nicht vorbeigegangen. Im Versicherungsumfeld und noch spezieller im Sachschaden, mit dem wir uns hier in Dresden tagtäglich beschäftigen, gibt es sehr große Potenziale für den Einsatz von Self-Services, um Prozesse zu beschleunigen, erheblich Geld zu sparen und das Erlebnis des Kunden zu verbessern.

Im Schadenfall sind die meisten Versicherungen in Deutschland bereits sehr fortschrittlich aufgestellt und bieten über Internetportale oder Apps die orts- und zeitunabhängige Meldung der meisten Schäden. Das reduziert die Notwendigkeit einer Schadenaufnahme durch den Sachbearbeiter oder durch die Mitarbeiter eines Call Centers. Zudem bieten die Assekuranzen ihren Kunden schon seit einiger Zeit verschiedene Möglichkeiten, Versicherungspolicen selbstständig abzuschließen und zu verwalten. Hier kommt der Makler häufig nur noch bei beratungsintensiven Produkten oder Großkunden mit gesteigertem Betreuungsaufwand ins Spiel. Diese Self-Services sind besonders bei jüngeren Kundengruppen beliebt, wie wir erst vor kurzem in unserem Beitrag über Digital Natives untersucht haben.

Die Anwendung von Self-Services bei Versicherungsleistungen bringt selbstverständlich die gleichen Vorteile mit sich, wie bereits erläutert. Doch dabei muss es aber nicht aufhören. Durch die gezielte Integration von weiteren Modulen besteht die Möglichkeit, den gesamten Prozess noch weiter in die Hände des Kunden zu verlagern und dadurch auf der einen Seite noch schneller und kostensparender zu machen, auf der anderen Seite dem Kunden ein noch besseres Erlebnis durch mehr Kontrolle und Selbstbestimmung zu verschaffen. Das Stichwort hier lautet Instant Services. Damit werden wir uns in einem der kommenden Artikel auf sachjournal.blog in aller Ausführlichkeit beschäftigen. Tipp: Am besten noch für den Newsletter anmelden, dann sagen wir Ihnen Bescheid, sobald der Artikel verfügbar ist.

 

Wohin geht die Reise

Obwohl das Thema Self-Service wahrlich kein neues ist, hat die Entwicklung gerade erst so richtig Fahrt aufgenommen. In den nächsten Jahren werden wir immer mehr Bereiche des täglichen Lebens sehen, wo der Kunde oder Nutzer sich selber versorgen kann, sei es mit Produkten, Dienstleistungen oder Informationen.

Zum Abschluss stellen wir noch zwei Self-Service-Anwendungen vor, die zwar gerade in den Kinderschuhen stecken, aber sicher schon bald unseren Alltag prägen werden.

McDonalds testet in seit einiger Zeit in ausgewählten Restaurants Terminals für die Bestellung von Speisen und Getränken. Damit würde das Anstehen und Bestellen am Schalter wegfallen.

Die Fast Food Kette geht aber auch noch einen Schritt weiter und lässt seine Kunden bald über eine neue App Bestellungen aufgeben, noch bevor man überhaupt im Restaurant angekommen ist.

Internet-Riese Amazon experimentiert mit seinem neuen Supermarktkonzept Amazon Go. Das Revolutionäre daran ist, dass die Supermärkte keine Kassen mehr haben. Stattdessen werden die Artikel automatisch im virtuellen Einkaufskorb erfasst und mit dem Amazon-Konto bezahlt.

 

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Über den Autor

Leiter Business Intelligence bei sachcontrol GmbH

Im Jahr 2008 als Kalkulator bei sachcontrol gestartet war der studierte Diplomingenieur zwischenzeitlich das Oberhaupt der Abteilung BI & Prozesse. Mit messerscharfen Analysen bändigte er und sein Team die Datenströme und wandelte sie gekonnt in Umsätze. Seit September 2020 übernimmt er das Zepter als Geschäftsführer der sachcontrol GmbH. Scannt er mal keine Geschäftsprozesse, reist er mit seiner Familie gern durch nahe und ferne Länder.