Hand aufs Herz: Auch Sie haben schon einmal Erdbeeren im Winter gekauft oder das günstige Zehn-Euro-Basic-T-Shirt, um den Kleiderschrank aufzufrischen? Und dennoch macht sich das stete Gefühl in Ihnen breit, dadurch der Umwelt oder anderen Menschen zu schaden?

Herzlich willkommen! Auch Sie gehören zur Gruppe der „Aspirational Consumer“ oder der sogenannten Nachhaltigkeits-Shopper. Und liegen damit voll im Trend.

Doch gehen wir einen Schritt zurück. Ein Blick auf die vielen Gewohnheiten des Alltags macht klar: Wir konsumieren, konsumieren, konsumieren.

Vom morgendlichen Nespresso-Kaffee bis hin zur Betankung des Familien-SUVs sind wir den Verlockungen des Wohlstands ausgeliefert. Widerstand zwecklos? Nach einer Befragung von National Geographic und GlobeScan gestehen mittlerweile 28 Prozent der Menschen ein, dass sie sich schuldig fühlen – für jeden kleinen ökologischen Fußabdruck, den sie mit ihrem Verhalten hinterlassen. Vom Coffee to go im Styroporbecher bis zum Mallorca-Kurztrip mit der Billigfluglinie.

Schuldbewältigung

Die Richtung ist klar: Verbraucher fühlen sich zunehmend einem nagenden schlechten Gewissen ausgesetzt und möchten dem Dilemma aus Komfortsucht und dem Verlangen, Gutes zu tun, entkommen. Ihre Reaktion: Eine neue Form des Konsums.

Schmückten einst nur Biosiegel die Produkte in den Kühlregalen, betrachten Kunden das Thema Nachhaltigkeit zunehmend ganzheitlich – von der regionalen Erzeugung bis hin zu fairen Produktionsbedingungen und einem schonenden Umgang mit natürlichen Ressourcen. Und sehen ihren persönlichen Beitrag genau da: im täglichen Einkaufsverhalten. Nach eigener Aussage entscheidet sich mittlerweile jeder zweite Deutsche regelmäßig für Produkte aus ethisch korrekter Herstellung, das ergab die jüngste Trendstudie der Otto Group.

Und das Phänomen hat einen Namen: „guilt-free consumption“ oder schuldbefreiender Konsum. So stellen es nicht nur die Autoren von trendwatching.com fest. Auch die Otto Group-Studie geht der Nachhaltigkeitswelle auf den Grund und setzt noch eines oben drauf: Denn ethisch unbedenkliche Produkte helfen nicht nur anderen, sondern steigern nachweislich auch das Wohlbefinden – insbesondere dann, wenn es um die Wahrnehmung der eigenen Gesundheit, Selbstbestimmung und Verantwortung geht. Und das geben knapp 60 Prozent der Befragten offen zu. Also: Das Bewusstsein für die Umwelt und ein gewisser Eigennutz schließen sich keineswegs aus. Das zeigt auch das Verhalten an den Supermarktregalen.

 

Grüne Kunden

Doch wer sind sie eigentlich, die „Öko-Shopper“ von heute? Es lässt sich bereits vermuten: Das Bild von Stoffbeuteln und Biolatschen hat definitiv ausgedient. Analog zu vielen anderen hybriden Lebensstilen vereinen gerade ökologisch bedachte Kundengruppen das Wechselspiel aus materiellen und immateriellen Werten par excellence. Eine Leidenschaft für Shopping, das Gespür für Lifestyle und Trends, aber auch ein Streben nach natürlichen und sozialverträglichen Formen des Konsums – so zeichnen die Markenstrategen von BBMG ihre Typologie der „Aspirational Consumer“.

Und diese sind bei Weitem keine Minderheit. Neben den „Advokaten“, den preisorientierten „Pragmatikern“ und den eher wenig engagierten „Gleichgültigen“ bilden sie mittlerweile die mit Abstand größte Käufergruppe – besonders wenn es darum geht, „grüne Marken“ weiter zu pushen. Das sieht auch BBMG-Mitbegründer Raphael Bemporad so: „Vor allem eine Tatsache macht die ‚Aspirational Consumer‘ so unwiderstehlich: Die Kombination aus einem echten Bewusstsein für Nachhaltigkeit und der Liebe zu Shopping, Design und sozialem Status sowie die nötige wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Macht, um unsere Art und Weise des Konsums grundlegend zu ändern.“

Öko-Pragmatismus

Und? Können wir Sie für diesen Trend begeistern? Oder haben Sie noch Zweifel? Ganz klar: Echte, konsequente Nachhaltigkeit sieht anders aus. Denn trotz ethischer Plakette bleibt das, was wir tun, nichts anderes als Konsum – und dieser müsste eigentlich radikal eingeschränkt werden, um Schäden an Mensch und Umwelt abzuwenden. Doch ist das überhaupt möglich? Oder bringt uns hier nicht auch ein gewisser „grüner“ Pragmatismus weiter? Und damit wären wir wieder angelangt beim zwiegespaltenen Verbraucher. Denn auch die „Öko-Shopper“ sind sich der Diskrepanzen ihres Handelns wohl bewusst. Und sie akzeptieren, dass sie eben nicht allein für die Weltrettung verantwortlich sind. Das unterstreichen auch die Autoren der Otto Group: „Die meisten haben mit ihrer eigenen Selbstrettung genug zu tun. Durch ethisches Handeln im Konsum lassen sich beide Elemente verbinden.“ Ist letztendlich nicht auch hybrider Konsum, eine gesunde Mischung aus Wohlstand und Verantwortung, ein Weg voranzukommen? Entscheiden Sie selbst.

Dieser Artikel wurde zuerst in der Ausgabe 01/2014 des Kundenmagazins “sachjournal” veröffentlicht.

 

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