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Martin Lin Lundberg und Jean-Christophe André
Herr André, in den nordeuropäischen Ländern ist In4mo sehr stark im Markt vertreten. Was macht Sie so erfolgreich in dieser Region? Wie unterscheiden sich die Märkte in den nordischen Ländern vom restlichen Europa und was können andere Märkte von den nordischen Ländern lernen? 

Jean-Christophe André: Die nordischen Märkte sind bei der Digitalisierung sehr weit fortgeschritten. Nehmen wir das Beispiel „Online Banking“. In Frankreich und Deutschland gehen beispielsweise immer noch viele Menschen in die Filiale, um Ihre Bankgeschäfte zu erledigen. In den nordischen Ländern wird hingegen schon sehr lange das „Online Banking“ genutzt. Alles ist sehr digitalisiert. Und das ist tief in den Denkweisen der Menschen verwurzelt. 

Als wir 2007 angefangen haben, war das gerade die Zeit, als Smartphones immer beliebter wurden. Man konnte plötzlich viel mehr mit dem Telefon anstellen als nur anzurufen. Kurz danach kamen die ersten Tablets. Ich denke, es war für uns die richtige Zeit und der richtige Ort, um mit digitalen Lösungen im Versicherungsmarkt erfolgreich zu sein. Und was In4mo auch auszeichnet: Wir arbeiten sehr eng mit den Versicherungen zusammen, um genau das Produkt anzubieten, was benötigt wird. Das macht uns stark. Schnell waren wir mit einigen sehr großen Versicherungsunternehmen sehr erfolgreich. Und wenn eine Lösung gut für eine große Versicherung ist, dann ziehen die Anderen auch sehr schnell nach. 

Ein weiterer Vorteil für uns: die Größe Finnlands. Zwar ist hier die Digitalisierung schon weit fortgeschritten, aber es ist auch ein kleinerer Markt. Aus Wettbewerbssicht ist das Land nicht unbedingt der erste Zielmarkt für Unternehmen anderer Kontinente, wenn sie Europa anvisieren. Wir hatten also etwas mehr Ruhe hier. Das hat uns natürlich in die Karten gespielt. 

Ein weiterer wichtiger Unterschied: Unser Markt ist sehr direkt und ich denke, davon können andere Märkte lernen. Es gibt hier immer weniger Mittelmänner. Vermittler und Makler sind hier nicht sehr dominant. Sie spielen eine kleinere Rolle als in anderen europäischen Märkten, da die Versicherungen lieber direkt mit dem Regulierer oder dem Sanierer arbeiten wollen.

Herr Lundberg, jetzt wo In4mo Teil der Solera-Familie ist, was wurde bisher unternommen, um In4mo mit seinen Produkten und andere Solera-Firmen näher zusammen zu bringen? 

Martin Lin Lundberg: Nach der Übernahme haben wir begonnen, SPS und In4mo zu verbinden. Was uns sehr wichtig ist: Wir möchten nichts ersetzen, sondern wir nehmen das Beste von SPS, von dem wir wissen, dass der Markt es braucht und möchte, und integrieren es in unsere zukünftige Plattform In4mo. Und diese Plattform entwickeln wir stetig weiter, um sie auch für anderen Märkte außerhalb Nordeuropas zu optimieren. So werden wir am Ende ein noch besseres Produkt haben als es heute schon ist.  

Neben den Bestrebungen im Sachschaden analysieren wir ebenfalls gerade, wie wir unsere Automobilsparte um Audatex mit Hilfe von In4mo im nordeuropäischen Markt etablieren können. Zwar sind die finnischen, schwedischen und norwegischen Märkte für Audatex noch Neuland, aber mit Hilfe von In4mo sehen wir auch dort großes Potential. 

Außerdem möchten wir im Hintergrund die Schnittstellen von In4mo und Audanet verknüpfen, damit Kunden auch Auto- und Gebäudeschäden über eine Schnittstelle bedienen können. Und in Zukunft auch noch Hausrat. Aber wir wollen hier noch nicht zu viele Geheimnisse verraten. 

Hatten Sie aus dem deutschen Markt bereits Feedback zu der Übernahme von In4mo durch Solera und die Aussichten, die das mit sich bringt? 

Martin Lin Lundberg: Wir haben sehr viel Begeisterung von vielen Versicherungen erfahren. In Gesprächen wurde uns bereits gesagt, dass sie sich mehr Lösungen für den Prozess und mehr Unterstützung für die Regulierer wünschen. Genau das ermöglicht In4mo. Daher werden wir unseren Kunden schon bald eine neue Version von In4mo präsentieren – mit dem gesamten Workflow beim Gebäudeschaden für Versicherungsnehmer und Handwerker in Kombination mit der großartigen Kalkulation von sachcontrol. Das ist der erste wichtige Schritt für uns. 

Aber nicht nur in Deutschland haben wir positives Feedback erhalten. Besonders aus Österreich und der Schweiz erreichen uns die gleichen Rückmeldungen. Die Kunden kennen die Kalkulation von sachcontrol. Sie glauben daran und vertrauen ihr. Und jetzt freuen sie sich darauf, auch die Unterstützung durch den In4mo-Workflow zu erhalten.  

Jean-Christophe André: Hier muss ich noch hinzufügen, dass auch In4mo Building Claims in diesen Märkten noch einmal an Glaubwürdigkeit gewinnt – jetzt, da wir zu Solera gehören. Wir sind nicht mehr nur ein kleines Licht aus Finnland, das in Nordeuropa aktiv ist, sondern wir werden als internationale Größe wahrgenommen. Und unsere Kunden, mit denen wir sprechen, reagieren darauf sehr positiv. 

Herr Lundberg, können Sie uns noch einen kleinen Ausblick in die weitere Zukunft für Solera, sachcontrol und In4mo geben? 

Martin Lin Lundberg: Ich will hier gar nicht zu viel verraten, aber wir haben sehr ambitionierte Pläne für die Zukunft. Aber was ich verraten kann: Wir arbeiten an einer intelligenten Lösung für Hausratschäden. Generell möchten wir Künstliche Intelligenzen in naher Zukunft in verschiedenen Lösungen integrieren und uns auf Dunkelverarbeitungsprozesse fokussieren. Dabei wollen immer einen Schritt weiter gehen als alle anderen. 

Lassen Sie uns zum Abschluss noch etwas allgemeiner auf die Märkte schauen. Welche allgemeinen Trends erkennen Sie aktuell im Sachschaden in Deutschland und darüber hinaus in ganz Europa?  

Jean-Christophe André: Eine Sache, die uns vollkommen klar sein muss: Es passiert unglaublich viel rund um Daten und auch die Erwartungen der Kunden dazu sind sehr hoch. Sie möchten auf deren Grundlage bessere Entscheidungen treffen. Schon heute schöpfen wir den größten Nutzen aus diesen Daten.  

Ich persönlich glaube auch, dass es in ferner Zukunft eher weniger Schadenmeldungen geben wird. Dafür wird jeder einzelne Schaden umso teurer sein. Der Grund dafür ist, dass wir sehr langsam von einem eher reaktiven Prozess – wo die Versicherung erst über den Schaden informiert wird, wenn er eingetreten ist und dann zahlen muss – zu einem präventiveren Prozess übergehen werden, in dem die Versicherung versuchen wird, den Schaden zu vermeiden bevor er eintritt. Die Assekuranz hat nicht mehr nur zweimal im Jahr Kontakt zum Kunden, wenn man zum einen die Rechnung für das aktuelle Jahr bekommt und dann vielleicht nochmal einen Schaden meldet. Stattdessen kann die Versicherung dauerhaft einen Service anbieten. Es wird zwar noch eine lange Zeit dauern bis das zur Realität wird, aber es wird den Markt schließlich sehr verändern.  

Solera und In4mo unterstützen Versicherungen

Martin Lin Lundberg: Ich sehe das ganz ähnlich wie Herr André. Seit einigen Jahren sehen wir bereits eine Transformation in der Schadenregulierung. Und der Prozess wird sich weiter verändern. Der Antrieb hinter der Veränderung kommt im Prinzip aus der IT und der Analyse von Daten. Und wir bei Solera haben genau diese Daten. Als Software-Firma sind wir perfekt geeignet, um bei dieser Transformation eine Führungsrolle zu übernehmen.  

Ich stimme vollkommen zu, dass Daten unglaublich wichtig sind. Aber wir müssen sie auch verstehen und den Versicherungen die Werkzeuge geben, damit sie die Daten für sich interpretieren und daraus Handlungen ableiten können. Und das ist eine ganz wichtige Sache, die wir durch In4mo gewinnen. Wir können weiterhin Daten generieren und auswerten. Und das wird in Zukunft zu noch mehr Dunkelverarbeitungsprozessen führen. 

Ich denke aber auch, dass die Versicherungskunden sehr wichtig sind. Sie müssen im Zentrum jeder Schadenregulierung und jedes Prozesses rund um die Schadenregulierung stehen. Bei In4mo gibt es für den Versicherungsnehmer ein eigenes Portal, wo er zu jedem Zeitpunkt genau einsehen kann, was bei der Bearbeitung seines Schadens gerade passiert. Das ist das, was die Kunden heutzutage möchten. Sie leben in einer Welt voller digitaler Transaktionen. Warum ist die Schadenregulierung nicht genau so einfach und komfortabel? Das sind wichtige Fragen, denen man sich stellen muss.   

Und ich glaube auch, dass sich im Zuge dieser Transformation, mit der Stärke der Technologie und dem Aufkommen des Internets der Dinge, die Versicherungsangebote verändern werden. Nicht nur in der KFZ-Versicherung, wo wir über selbstfahrende Autos und deren Auswirkungen auf den Straßenverkehr sprechen, sondern auch im Sachschaden.  

Ich weiß heute noch nicht, wie sich alles genau entwickeln wird, aber wir sehen bereits, dass sich die Regulierung im Sachschaden verändert. Und dabei wird In4mo eine große Rolle spielen.  

Wie anfangs schon einmal erwähnt, haben wir auf der Welt verschiedene Märkte. Aber am Ende ist ein Sachschaden auch immer noch ein Sachschaden – egal wo. Vielleicht werden mir viele nicht zustimmen, aber meiner Meinung nach sind sich 80% der Sachschäden sehr ähnlich, egal in welchem Markt sie auftreten. Das habe ich in den vergangenen Jahren wieder und wieder erlebt. Wie beispielsweise vor kurzem in Australien. Der Versicherungsmarkt ist dort natürlich etwas anders, aber 80% des Schadenregulierungsprozesses ist genauso wie in Schweden, Deutschland oder Spanien. Die Märkte sind nicht so verschieden, sie müssen nur unterschiedlich bedient werden. Und dabei wird Solera helfen. 

Vielen Dank Herr Lundberg. Das klingt nach einem wunderbaren Abschluss für unser heutiges Interview. Wir bedanken uns herzlich bei Ihnen beiden für Ihre Zeit und die vielen informativen Antworten, die Sie heute mit uns geteilt haben. 

Über den Autor

Leiter Produktion und Service bei sachcontrol GmbH

Nach acht Jahren Südafrika kehrte er im Jahr 2016 zurück nach Deutschland und unterstützt seitdem als Marketingleiter sowie als Leiter Produktion & Service das Team von sachcontrol. Mit seinem Blick für das große Ganze setzt er die Marke sachcontrol gekonnt in Szene, analysiert Kundenanfragen treffsicher und optimiert interne Prozesse für einen reibungslosen Ablauf. In seiner Freizeit begegnet man dem studierten Diplomkaufmann für Sportmanagement vor allem bei seinem Training für den Marathonlauf rund um Dresden.