Herr Dr. Lutich, seit 2017 sind Sie Teil unseres Teams. Was genau ist Ihre Aufgabe hier bei sachcontrol?

Als Leiter Data Science verantworte ich strategische Entscheidungen bezüglich der Weiterentwicklung und Verwendung von KI-basierten Systemen. Dazu definiere ich die Entwicklung der Hard- und Software, um das maschinelle Sehen und das Verstehen von natürlicher Sprache bei sachcontrol weiter voranzutreiben. Ein wichtiger Teil davon ist die Erarbeitung von Methoden zum Sammeln von Bildern bzw. Texten sowie der sogenannten Bildannotation, dem Markieren von Objekten auf Fotos. Um die Wünsche unserer Kunden nicht aus dem Blick zu verlieren und unsere Neuerungen vorzustellen, bin ich auch oft bei unseren Auftraggebern mit vor Ort.

Aber der wichtigste, herausforderndste und interessanteste Teil meines Jobs ist meine Arbeit als Architekt von KI-Systemen. Hier begebe ich mich in die Tiefen des maschinellen Lernens, um die Algorithmen zu finden, mit denen man am effektivsten unsere Ziele umsetzen kann. Und last but not least: Die klassische Data Science. Hier entschlüssle, verknüpfe und analysiere ich Daten, um daraus nutzbare Informationen zu gewinnen. Dabei betrachte ich die Daten aus verschiedenen Blickwinkeln, um die richtigen Rückschlüsse ziehen zu können. So kann ich immer die bestmöglichen Ergebnisse für unsere Kunden erzielen.

Ihr Aufgabenfeld ist sehr breitgefächert. Langweilig wird Ihnen da sicherlich nicht so schnell, oder?

Das ist richtig. Ich mag es, scheinbar unlösbare Probleme und Rätsel zu entschlüsseln. Und als Data Scientist habe ich jeden Tag eine Menge davon. Die Methoden und Aufgaben, denen ich in diesem Berufsfeld gegenüberstehe, sind sehr vielfältig und nicht standardisiert. Das macht Spaß und wird nie langweilig.

 

Wollten Sie beruflich schon immer mit Daten jonglieren?

Das Lösen von komplexen Rätseln lag mir schon immer im Blut. So liebe ich es zum Beispiel noch heute in meiner Freizeit Schach zu spielen. Der Mix aus Herausforderung, Komplexität und Spielspaß fasziniert mich an diesem Denksport. Aber um ehrlich zu sein: Als Kind war es eigentlich mein Traum, Astronaut zu werden.

Mit einem Flug ins Weltall hat es dann schlussendlich doch nicht geklappt. Sind Sie enttäuscht?

Aber nein. Bei sachcontrol habe ich die Möglichkeit gefunden, mein ganzes Wissen einzubringen und mich selbst noch stetig weiterzuentwickeln. Das Unternehmen ermöglicht es mir zudem, unterschiedliche moderne Technologien für meine Arbeit zu nutzen und mit internationalen Entwicklern erfolgreich zusammenzuarbeiten. Hier kann ich Dinge erschaffen, die es vorher so noch nicht gab. Das inspiriert mich und fordert mich jeden Tag aufs Neue heraus.

 

Apropos „Neue Dinge erschaffen“: Mit sach|eye, der Schadenanalyse aus Bildern mittels künstlicher Intelligenz (KI), ist Ihnen das gelungen.

Ich muss ehrlich gestehen, dass sach|eye für mich bisher wohl die größte berufliche Herausforderung war und auch noch ist. Es ist sehr komplex, einzigartig und wurde vorher nicht für möglich gehalten.

 

Erzählen Sie uns doch mehr dazu.

sach|eye ist ein KI-basiertes Computer-Vision-System, um Fotos zu analysieren und zu verstehen. So kann unsere künstliche Intelligenz vorhandene Objekte und deren Beschädigungen auf Bildern erkennen sowie eine Schadenkalkulation erstellen. Und das in wenigen Sekunden und postleitzahlgenau. Das sach|eye-System wurde auf tausende von Fotos trainiert. Und es lernt stetig weiter dazu. Momentan stehen ihm 26.000 Bilder und rund 990.000 annotierte Objekte zur Verfügung. Diese große Anzahl bereitzustellen benötigte zwar viel Zeit und Arbeit, der Aufwand war aber im Vergleich zu KI’s mit menschenähnlicher Intelligenz noch gering. Und genau das ist die eigentliche Herausforderung, der wir uns gestellt haben und an der wir dranbleiben. Im März werde ich übrigens in meinem neuen Artikel für unseren Blog mehr zu den technischen Details von sach|eye sowie zu grundlegenden Technologien und Algorithmen von Künstlichen Intelligenzen erzählen. Seien Sie gespannt.

Stichpunkt „Künstliche Intelligenzen“: Was früher als Science-Fiction galt, ist heute alltagstauglich geworden. Was ist das besonders an solchen Systemen?

Künstliche Systeme sind für mich Algorithmen, die Aufgaben übernehmen können, für die es eigentliche eine menschliche Intelligenz braucht. Ich denke da an visuelle Wahrnehmung oder Spracherkennung. Mich fasziniert die Vorstellung, dass es möglich ist, Systeme zu bauen, die cleverer sind als wir. Und so für uns Probleme lösen können, auf die wir keine Antwort haben.

 

Und den Menschen vielleicht irgendwann auch ersetzen?

In bestimmten Bereichen wird das wahrscheinlich passieren. Technologischer Fortschritt ist so alt wie die Menschheit. In der Vergangenheit haben beispielsweise schon Motoren tierische und menschliche Kraft ersetzt. Oder denken wir an den Taschenrechner, der uns beim Multiplizieren von großen Zahlen unterstützt. Kleine technische Helfer sind in unserem Alltag überall zu finden. Und werden von uns schon ganz selbstverständlich genutzt. Mit künstlicher Intelligenz wird das in Zukunft noch weiter geschehen. Prinzipiell glaube ich aber nicht, dass diese Systeme uns Menschen gänzlich verdrängen können, sondern uns lediglich bei unserer Arbeit unterstützen werden. Denken Sie an die industrielle Revolution. Zwar wurde damals menschliche Arbeitskraft durch neue Arbeitsmaschinen ersetzt, aber es entstanden auch neue Jobs, die es vorher so nicht gab. Die Arbeitswelt ist einem stetigen Wandel unterworfen. Oder hätten Sie vor 15 Jahren gedacht, dass man seinen Lebensunterhalt auch mit dem Erstellen von YouTube-Videos bestreiten kann? Wahrscheinlich nicht. Und doch ist es heute möglich.

 

Denken Sie, dass der Entwicklung von künstlichen Systemen Grenzen gesetzt sind?

Grundsätzlich sehe ich keine Grenzen. Lediglich die momentane Leistung der Hardware stellt für mich eine mögliche Barriere dar.

 

Das klingt visionär. Thomas Woodrow Wilson, US-amerikanischer Historiker und 28. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, wusste bereits zu sagen: „Wer keine Vision hat, vermag weder große Hoffnung zu erfüllen, noch große Vorhaben zu verwirklichen.“ Woher nehmen Sie Ihre Motivation für die komplexen Aufgaben?

Als Kind bin ich im wunderschönen Weißrussland aufgewachsen. Zu dieser Zeit hat mir mein Vater ein Sprichwort beigebracht, nach dem ich noch heute lebe: „Делай хорошо. Плохо само получится“. Übersetzt bedeutet es so viel wie: „Egal, was Du machst, mach es gut. Schlecht gemachtes entsteht von allein.“ Diesen Anspruch an mich habe ich sowohl privat als auch auf Arbeit. Und damit motiviere ich mich.

 

Wir sind jetzt schon gespannt, mit welchen Visionen Sie uns auch in Zukunft begeistern werden. Vielen Dank für das Interview, Herr Dr. Lutich.

 

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